Grabschrift des Wesens Mensch

Edna St. Vincent Millay

(* 22. Februar 1892 in Rockland, Maine, USA; † 19. Oktober 1950 in Austerlitz, New York)

Grabschrift des Wesens Mensch

Hier liegt, unklagbar außer vor dem Meer
Das bricht unwandelbar in leerer Welt,
Mensch der Höchstvielfache, in Staub gefällt
Um nie zu kehren, — — unzeitig, im Stand
Der Kindheit: und der Riesenschall, der Er
Gewesen; stumm; und all sein einstiger Stolz
Ein eisern Säulenstück, des erzenes Korn
Von Regen höhlig wie ein fauler Baum.
Mensch, bündiger Mensch, wem zolltest Du den Preis,
Den Himmel in Zorn selbst aufgab zu bewegen‚
Den Hebel und das Grabscheit hinzulegen,
Und Staub zu wehn im Staub des Einerleis?
Wes, wes der Einbruch? Wes der Mörderdegen? — —
Ring nicht nach Wort, arm schütterer Mund; ich weiß.

Übersetzt von Rudolf Borchardt, in: Rudolf Borchardt, Gedicht II. Übertragungen II. Stuttgart: Klett-Cotta, 1985 (Gesammelte Werke in Einzelbänden), S. 327

Epitaph for the Race of Man

XVIII

Here lies, and none to mourn him but the sea,
That falls incessant on the empty shore,
Most various Man, cut down to spring no more;
Before his prime, even in his infancy
Cut down, and all the clamour that was he,
Silenced; and all the riveted pride he wore,
A rusted iron column whose tall core
The rains have tunneled like an aspen tree.
Man, doughty Man, what power has brought you low,
That heaven itself in arms could not persuade
To lay aside the lever and the spade
And be as dust among the dusts that blow?
Whence, whence the broadside? Whose the heavy blade?…
Strive not to speak, poor scattered mouth; I know.

4 Comments on “Grabschrift des Wesens Mensch

  1. Epitaph für die Menschenrasse

    XVIII

    Hier liegt, und niemand trauert um ihn außer dem Meer,
    Das sich unaufhörlich an die leere Küste wirft,
    Der vielfache Mensch, niedergemäht, dem kein Frühling mehr wird…
    Noch vor der Jugendblüte, sogar in der Kindheit schon
    Niedergemäht, und all sein Aufbegehren, das er war,
    Zum Schweigen gebracht; und den fesselnden Stolz, den er trug,
    Eine rostige eiserne Säule, deren hohes Kernstück
    Der Regen ausgehöhlt hat wie eine Espe.
    Mensch, tapferer Mensch, welche Macht hat dich gebrochen,
    Das der Himmels selbst geharnischt nicht überzeugen konnte,
    Brechstange und Spaten beiseite zu legen
    Und wie der Staub unter den Stäuben zu sein, die verwehen?
    Woher, woher die Attacke? Und wem gehört die schwere Klinge?…
    Bemüh dich, nicht zu sprechen, armer zerstreuter Mund; Ich weiß.

    (Aus dem Englischen von Horst Samson)

    Gefällt 1 Person

  2. Der berühmte Borchardt! Ich finde die Übertragung auch nicht so toll. Liest sich mühsamer als das Original. Und man soll sich mal den 2. Vers ansehen.

    Like

  3. Übersetzungen verändern ein Gedicht gewaltig. Hier ist der Anfang weder gut, noch schön, übersetzt. Besser würde mir folgende Version gefallen:

    Hier liegt, und niemand trauert um ihn außer dem Meer,
    das sich unaufhörlich an die leere Küste wirft,
    der vielfache Mann, niedergemäht, dem kein Frühling mehr wird…

    Gefällt 2 Personen

Hinterlasse eine Antwort zu Horst Samson Antwort abbrechen

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..