Moses Rosenkranz, deutscher Dichter

Mit drei Gedichtbänden zwischen 1927 und 1940 hatte er sich in Czernowitz und Bukarest einen Namen gemacht; nun, nach 1961 in Deutschland, konnte er zwar im Verlag Wort und Welt und im Südostdeutschen Kulturwerk 1986 und 1988 zwei Bände mit Lyrik veröffentlichen, mit ganz unzeitgemäßer Lyrik, deren Sprache völlig herausfiel aus der Entwicklung, welche die deutsche Lyrik inzwischen genommen hatte, aber erst als der Aachener Rimbaud-Verlag den Band „Bukowina. Gedichte 1920 – 1997“ (1998) und dann das Fragment einer Autobiographie Moses Rosenkranz’ mit dem Titel „Kindheit“ im Jahr 2001 veröffentlichte, begann so etwas wie ein später Ruhm; da war er, der 1904 geboren war, über 90 Jahre alt. Seine Gedichte, darunter ganz unglaubliche Verse vom Judentod und von Grässlichkeiten wie der Latrine im Gulag, sind Zeugen der schrecklichsten Orte und Schicksale des vergangenen Jahrhunderts. Es sind bewegende Klagen über die Zugehörigkeit zu einer Kultur, die nur spät, und das heißt eben: zu spät zu ahnen begann, was sie auch sich antat und angetan hatte, als sie die osteuropäischen Juden ermordete. Moses Rosenkranz lebte in den letzten Jahrzehnten nicht nur hoch-, sondern höchstbetagt in der Nähe von Freiburg, erblindet – vielleicht der letzte jener deutschen Dichter aus der Bukowina, deren deutscher Name Buchenland so ähnlich klang wie Buchenwald. …

Jetzt hat aber der Verlag, der seine Autobiographie „Kindheit“ publizierte, die Verpflichtung, auch die Fortsetzung „Jugend“ zu veröffentlichen. Unsere deutsche Sprache steht in der Schuld Moses Rosenkranz’, der vor wenigen Tagen 99-jährig in Lenzkirch im Schwarzwald gestorben ist. Zwar hat er geschrieben: „Die Realität meines Lebens entzieht sich jeder Möglichkeit einer Schilderung“, aber das ist nicht ganz die Wahrheit, denn ihm war die deutsche Sprache das einzige Medium, das seinem Innern entsprach, und das gab ihm die Kraft, die schauderhaftesten Wirklichkeiten eines, seines europäischen Lebens zu benennen. Sein Name und Andenken seien gesegnet!/ Jörg Drews, SZ 22.5.03

Das Gedicht

Die erste Zeile kommt von anderswo
aus hoch versteckten Wolken jäher Blitz
einschlagend göttlich in Verstand und Witz
du aber staunest des Verlustes froh

Nun kannst du unbeirret in den Born
der Sprache rauschen und was folgt von dort
andichten an das erst geschenkte Wort
das dich zum Schöpfer des Gedichts erkorn

Zu seinem Opfer auch denn es ist schön
du kommst nicht los von dem erschaffnen Text
es hat sein Anfang Tor dich schon behext:
die erste Zeile aus bewölkten Höhn

(Moses Rosenkranz: Im Untergang II. Ein Jahrhundertbuch. Thaur/ Innsbruck: Wort und Welt Verlag 1988, S. 72)

Rosenkranz im Rimbaud -Verlag
Todesnachricht in der NZZ , 22.5.03
Weitere Nachrufe: Alexander Honold, FAZ 22.5.03

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