Sexuelle Darstellung als Arbeit an und Zugang zur Wir®klichkeit

382 Wörter, 2 Minuten Lesezeit

Ein Abschnitt aus einem Text von Ilse Kilic

3.

das lieben ist schön,
schöner als das singen, als ich sah das lieben.
das lieben ist ein kummer. das lieben ist ein lied. (Ernst Herbeck)*

Das Singen im „Theater der Liebe“ ist Thema der SÜSSEN BÜSCHE** von Margret Kreidl. Die Autorin hebt den Vorhang, nennt „Dinge“ beim Namen, will sagen: sie benennt die Dinge. Die Namen der (Liebes)Dinge sind Worte, die, in ihrer „Wortartigkeit“ jene – ebenfalls wortartig gemachte – Erotik als machbar und gemacht (im Sinne von hergestellt) transportieren. Zugleich beheizt Margret Kreidl die Bühne, in deren Wärme die „Dinge“ selbst zu singen beginnen.

Der vokalharmonisch aufgebaute Text SÜSSE BÜSCHE, von der Autorin als Sammlung erotischer Prosastücke bezeichnet, beginnt und endet mit botanischen Studien, Pflanzenbeschreibungen, Blüten und Stengeln. Sprechen und Sprechen vom Sex ist immer auch politisches Sprechen, ist Sprechen, das gerade dort, wo es sich dem „Treibhaus“ nähert, eine Überarbeitung des Sprechgestus erfordert, eine Verbindung von ästhetischer und politischer TextArbeit. Vokalharmonien bestimmen letztlich, wer in Margret Kreidls Texten mit wem was treibt – die sprachliche Regel tritt in Konkurrenz mit der gesellschaftlichen — und sehr schnell wird klar, wo die „Lust“ zuhause sein kann. „Unschickliche Textkörperchen“, wie Christiane Zintzen in ihrer Rezension schrieb, wachsen gleichsam nicht natürlich, wie auch gerade die Erotik nicht natürlich wachsen kann, weil es sie natürlich gar nicht gibt. Die Textkörperchen sind aber keine Metafern der Sexualität – sie sind ihre ernste Darstellung, lustig dennoch in der Gewißheit der strengen Spielregel, der Form und Inhalt unterliegen. Hier ein Exempel zur Probe:

ILSE UND LIESL
Penis-Defizit. Ilse phantasiert. Traumatischer
Schnitt. Ich bin kastriert. Liesl kichert. Ilse
frustriert: Ich-Bildung ist wichtig. Liesl
masturbiert. Ideal-Ich Ich-Ideal? Liesl lacht.
Egal! Dattel Ding Dose. Honig fließt. Liesl
genießt narzisstisch. Ilse projiziert: Das Bild
bin ich. Ilse ist Liesls Spiegel. Die Dinge
zerspringen. Liesl grinst: Prickelnde Nippel-
Teaser? Ilses Trieb-Ich verdichtet sich. Riesen-
glitzerdildo? Ilse ist glücklich. Kitzelfinger
Lippentriller? Triebziel: Rille Riß. Ilse jubiliert:
Libido fluktuiert. Frische Ritze. Lustprinzip.
Pfui! Liesl spukt. Ilse fischelt. Bi oder wie? Liesl
verzichtet: Sublimieren ist richtig. Ilse befiehlt:
Lust-Ich! Du liebst mich! Liesl reagiert nicht.
Ilse regrediert oral-sadistisch. Triebschicksal?
Liesl schwitzt. Prinzip Klitoris. Liesl zittert.
Ilse ißt Liesl

Aus: Das fröhliche Wohnzimmer. Nr. 36, S. 15

*) Ernst Herbeck: Im Herbst da reiht der Feenwind. Salzburg-Wien 1992
**) Margret Kreidl: Süße Büsche. Wien 1999

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