Sehnsucht nach Welt

Das Angenehme an Max Czolleks Lyrik ist die Tonalität ihres Erzählers, der uns durch die sprachliche Welt des Bandes führt. Klingt „angenehm“ wie ein Weichspüler? Als wäre „Jubeljahre“ ein Band voller gefälliger Texte? Das ist er bei weitem nicht: gleich zu Beginn wird klar, dass die Stimme des Textes zu ihren Worten kommt, um etwas mitzuteilen, das außerhalb des sprachlichen Systems liegt. Eine Sehnsucht nach Welt scheint durch, eine Sehnsucht nach Veränderung auch. Nicht Simulation, sondern Dissimulation, das Entlarven der Schwachstelle Realität, ist auf die Fahnen dieses Buches geschrieben. (…)

Das Bewusstsein für die politische Realität bricht sich Bahn in einer Lyrik, die nicht anders kann, als abzubilden, ohne dabei anzuklagen. Die reine Darstellung genügt, um die Adressaten zu aktivieren. Das Appellieren verweigert sich dem Manierismus deutscher Gegenwartslyrik zumeist. Elegant kann man nur nennen, wie der Antisemitismus-Forscher der deutschen Sprache abverlangt sich mit ihrer eigenen Vergangenheit zu beschäftigen. Als wäre das kollektive Verdrängen, das kollektive Erinnern, in die Geister der Sprecher dieser Sprache eingeschrieben, fühlt es sich neu und fremd an, zu lesen, wie Czollek jüdische Kultur zugleich als Inspiration – aber auch als Vehikel nutzt. Dabei gibt es keine Kneifzangen oder Exotismus, keine Mühe entsteht, im Gegenteil: die innere Logik dieser in Lyrik versponnenen Geschichten ist von einer Schönheit, die trotz kryptischer Momente gefangen nimmt: „nicht mehr als ein Rohbau war dein himmel / unzureichend befestigtes Zelt / unter wölkchenhaut“. / Kevin Junk, Fixpoetry

Max Czollek
Jubeljahre
Illustrationen: Varvara Polyakova
© Verlagshaus Berlin
2015 · 80 Seiten · 13,90 Euro
ISBN: 978-3-945832-00-4

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