43. Lehrer

(Ists auch nicht Lyrik)

Was die Vermittlung von Neuer Musik angeht, konnten wir Gymnasiasten der 60-er Jahre überhaupt nichts erwarten. Entweder fiel der Unterricht fast die ganzen Jahre weg oder, wenn wir dann zwischendurch einmal Musikunterricht bekommen hatten, haben wir Lehrer vorgesetzt bekommen, die im Dritten Reich ausgebildet wurden und, was die avancierte Musik des 20. Jahr-hunderts angeht, von Tuten und Blasen keine Ahnung hatten. Meine schulischen Erlebnisse waren hauptsächlich geprägt von Singen, z. B. ‚Wenn die bunten Fahnen wehen‘ oder weiterer einschlägiger ‚Volkslieder‘, oder von ‚biographischen‘ Geschichten wie die des „armen verwilderten und verdreckten Beethoven, der einfach keine Frau finden konnte“ (so der Originalton unseres Musiklehrers, einem ehemaligen Kompositionsschüler von Hans Pfitzner und verkrachtem Genie, dessen Werkliste sich damals bereits schon in den Achttausendern bewegte [… und Simon Sechter lässt grüßen!]). Später in den 70ern habe ich dann einen Schulmusiker kennen gelernt, der, wenn er den Dux einer Fuge meinte, immerfort vom „Duce“ gesprochen hat. Ich stellte ihn zur Rede, woraufhin er treuherzig fragte: „Ist das so schlimm?“- und ganze Schülergenerationen haben’s so von ihm gelernt! / Der Komponist Walther Erbacher

10 Comments on “43. Lehrer

  1. Haha Florian, da haben sicher einige einige Ideen. Andreas, las uns da mal was machen. Vor paar Jahren wollte ich mal an die Hochschulen ran. Aber die Professoren haben hinhaltend bis gar nicht reagiert, dabei wollte ich eigentlich was mit Studenten machen …

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  2. ja gerne. es gab auch immer wieder mal versuche. (ich hab übrigens gerade auch ein libretto angefertigt) und zumindest kann ich für unseren haushalt behaupten, dass die neue musik hier einen festen platz hat. nicht aber in der hiesigen oper leider. da ist chemnitz noch vor leipzig.

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  3. Ich bin seit je zutiefst verunsichert, wie wenig Wissen über Neue Musik es gibt – auch unter Literaten und anderen Künstlern. Es gibt kaum inspirierende Begegnungen zwischen Gegenwartsliteraten und Gegenwartsmusikern, worunter ich jetzt eben auch die von der Klassik herkommenden Modernen meine und nicht einen Pseudo-Jazz-Saxophonisten, der die Lyrik-Pausen füllt. Ach, Jan, ach, Bertram, wir müssen da mal was in Leipzig aufziehen, wir sind doch die Stadt, in der es eine Literatur- UND eine Musik- UND eine Graphik/Kunsthochschule gibt. Wir holen da zu wenig raus.

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  4. moses und aaron sah ich vor 15 jahren an der oper leipzig. eine großartigen oper. die inszenierung war von tabori, bis auf eine stelle fand ich sie großartig. . auf der bühne aber und im orchestergraben waren wesentlich mehr menschen beschäftigt, als im publikum saßen. ein wenig hab ich mich für die ignoranten leipziger geschämt. naja und seit zimmermann weg ist, passiert an der oper nicht wirklich mehr was spannendes.

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  5. Pierot Lunaire war auch meine Erstbegegnung mit Beidem. Vor allem lief schief: Die Zwölftontechnick bzw., dass es so schräge klang, wurde als Ausdruck der Thematik verstanden. Schönberg also nicht ernst genommen als Innovation der Schreib- und Rezeptionsform. Sondern: Schlimme Musik für schlimme Themen. Warum dann auch seine kleinen Orchesterstücke oder Boulez so komisch klangen blieb völlig unverständlich. Was Du sagst: Wir hörten das Zeug um uns abzusetzen: Ich habe mir das damals, z.B. Moses und Aron, in der Stadtbücherei geborgt. Ich glaub kaum, dass die sowas heute noch vorrätig hätten. (Mein verzweifelter Versuch, in Zingst mir irgendwelche impressionistische Musik zu borgen oder zu kaufen paar Jahre später spricht leider sehr dafür.)

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  6. bei uns gehörte es zum lehrplan, wie auch ein paar schönbergstücke, die uns die musiklehrerin von vollkommen zerkratzten platten vorspielte, es war wohl schönbergs „ein überlebender von warschau“. sie konnte mit dem zeug so viel oder weng anfangen wie mit der rockmusik die wir hörten. das führte allerdings dazu, das wir uns schönbergmusik besorgten und hörten und uns dran freuten, schon um uns abzusetzen. da kam auch französische dichtung mit, denn unser lieblingsstück war pierrot lunaire.

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