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Veröffentlicht am 13. Juni 2010 von lyrikzeitung
Hundert Gedichte sollten es werden, so hat es sich der 1964 geborene Autor für seinen vierten Gedichtband vorgenommen, und diese kühne Programmatik hat ihm nicht geschadet. Sprachbewusst und schön kontrolliert erkundet „Offene Unruh“ den Liebesschmerz in allen Varianten. Dabei erzählen die Gedichte nicht bestimmte Situationen nach. Statt zur Identifikation einzuladen, spielen sie mit dem Liebesdiskurs, so als könnte man die Worte, die sich um die Liebe ranken, wie einen Rosenkranz dahersagen, ohne dass sich je der lästige Eindruck des Gebetsmühlenhaften einstellt. Alles geschieht mit souveräner Nebensächlichkeit. Das Material bleibt kalt. Wir werden nicht zum Voyeur eines leidenden Ich. Erfahrungspartikel geistern durch diese Gedichte wie etwas Objektives, als hätten sie sich tatsächlich in der Sprache abgelagert und könnten ganz nach Bedarf aktiviert werden. …
Niklas Luhmanns „Liebe als Passion“ und Roland Barthes’ „Fragmente einer Sprache der Liebe“ sind, so scheint es, die Paten dieses Bandes. Vom einen nimmt sich Lentz den systematischen Zugriff auf die Codes, mit deren Hilfe wir von Liebe sprechen, vom anderen die emphatische Evokation. Nach seinem Roman „Liebeserklärung“ hat er mit „Offene Unruh“ ein weiteres Mal bewiesen, wie gut sich die Sprachartistik mit der Liebe verträgt. Auch sie ist eine Form und beileibe nicht nur ein Gefühl, das ganz von selbst den richtigen Ausdruck findet. / Meike Fessmann, Tagesspiegel
Michael Lentz:
Offene Unruh.
100 Liebesgedichte.
S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2010. 167 Seiten, 16,95 €.
Kategorie: Deutsch, DeutschlandSchlagworte: Meike Fessmann, Michael Lentz, Niklas Luhmann, Roland Barthes
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