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Der Leser der Gedichte des Iain Crichton Smith (1928-1998) findet sich unversehens in einem Brueghel-Bild wieder: das knochige Pferd, das einen Karren voller Schädel zieht, senkt den Kopf. Was bewegt einen schottischen Autor des 20. Jahrhunderts, der in seinem Land als einer der wichtigsten Dichter seiner Generation gilt, mit den Bildern der Renaissance zu korrespondieren? Der Sturz des Engels, die tanzenden Bauern, der Tod in Kapuzen findet sich wieder in Gedichten, die Motive aus der jüngeren Geschichte der gälisch sprechenden Minderheit der Hochlandbewohner aufgreifen. Deren Exodus begann Ende des 18. Jahrhunderts. Den Vertriebenen und Auswanderern und den gebliebenen Alten, die die gälische Sprache und ihre Kultur zu bewahren suchen, hat der Schotte seine Gedichte gewidmet. In ihnen beschwört er die Schönheit und den Glanz des Alten. Den Exilanten aber halten Hoffnung und Erinnerung am Leben. Smith umreißt dessen Elend in Hunger und Alkohol. Seine Verse spüren den Veränderungen nach, die Vertreibung und Emigration bei Menschen bewirken. Die Metaphern und Vergleiche, die an der Bildoberfläche als Schiffe, Segel und Meer aufblitzen, bewegen sich zwischen Hoffnung und Trauer. Obwohl die lyrischen Figuren der Gedichte als Individuen einer aussterbenden Kultur definiert sind, scheinen die Verse allen Heimatlosen, Verbannten und Ausgestoßenen gewidmet zu sein. Heimkehrer aber kommen in eine Welt zurück, die sich gewandelt hat. Sie sind Fremde geworden. Die sogenannten Kleinen Leute kommen in Monologen zu Wort. Das lyrische Ich ergänzt ihre Rollenreden mit Imaginationen und Symbole von schmerzlich schöner Klarheit. Es sympathisiert mit Außenseitern, die die gälische Sprache und die Traditionen zu bewahren suchen. / Dorothea von Törne, Die Welt 19.9.
Segel aus Salz.
Von Iain Crichton Smith. A. d. Engl. v. Elmar Schenkel.
Edition Rugerup, Hörby. 160 S., 19,90 Euro.
Über den dritten Gedichtband des Göttinger Literaturprofessors Heinrich Detering schreibt die Autorin:
Nie kommen die Verse moralisierend oder belehrend daher. Das unterscheidet sie wohltuend von anderen zur Poetenzunft wechselnden Dozenten. Dieser denkt auf heitere Weise nach über das kulturelle Klima oder „famous last words“
Wrist.
Von Heinrich Detering. Wallstein, Göttingen. 80 S., 15,40 Euro.
Außerdem in der Sammelrezension über
Bernsteinherz.
Von Christoph Klimke. Mit Zeichnungen von Johann Kresnik. Eremiten, Düsseldorf. 67 S., 17 Euro.
Sämtliche Gedichte.
Von Hilde Domin. Hrsg. von Nikola Herweg und Melanie Reinhold. S. Fischer, Frankfurt/M. 351 S., 16 Euro.
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