Celan ohne Kommentar

Der Verzicht der Herausgeber auf Kommentare, die erst nach Abschluß der gesamten Textedition in gesonderten Bänden erscheinen sollen, wirkt vor dem Anschwellen der biographisch-positivistischen Celan-Exegese wohltuend und korrespondiert mit Celans poetologischer Absicht, biographische Spuren und konkrete Bezüge aus seinem Werk zu tilgen und ein Gedicht als ein Sprachgebilde zu begreifen, das, wie in seiner Büchnerpreis-Rede „Der Meridian“ ausgeführt, „ins Offene, Leere und Freie“ weist.

Die Probleme, mit denen Benutzer der Bonner Ausgabe konfrontiert sind, lassen sich nicht auf die spröde Methodik der Bonner Ausgabe zurückführen, sie sind in Celans Arbeitsweise selbst begründet. Der Autor hatte zwar in den frühen fünfziger Jahren begonnen, die jeweiligen Zeugen zu seinen Gedichten in Mappen zu ordnen und die Stufen auszuscheiden, die vor dem liegen, was Celan als „qualitativen Wechsel“ bezeichnet hat, den Moment, in dem das Wort zu einem Wort des Gedichts wird. So finden sich in den Konvoluten kaum Notizen, Wortlisten oder in losem Zusammenhang stehendes Material, das Feld des zu edierenden Textbestands wurde vom Autor selbst weitgehend abgesteckt. / Beate Tröger, FAZ 28.10.03

Paul Celan: „Der Sand aus den Urnen. Mohn und Gedächtnis“. Historisch-kritische Ausgabe. 2.-3. Band. 1. Teil: Text. 2. Teil: Apparat. Herausgegeben von Axel Gellhaus unter Mitarbeit von Holger Gehle und Andreas Lohr in Verbindung mit Rolf Bücher. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003. 600 S., geb., 98,- [Euro].

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..