Das Archiv der Lyriknachrichten | Seit 2001 | News that stays news
Seit über zehn Jahren beschäftigt sich Susann Körner, geboren 1972, mit Fundstücken unseres Konsumalltags, mit Warenbezeichnungen auf Kassenbons: Ein sprachliches Paralleluniversum, in dem Produktnamen durch elektronisch bedingte Abkürzungen zu hermetischen Bedeutungsträgern mutieren. Was ist eine „Bismarck Emotion“, was eine „Montage Noir“ und wie sieht ein „Happy End feucht“ aus? Es entstand die Idee, gezielt so einzukaufen, dass ein Gedicht auf dem Kassenzettel entsteht. Die Hamburger Künstlerin sichtete Unmengen von Kassenbons, extrahierte skurrile Produktabkürzungen und schuf so einen eigenen Wortschatz, den sie „Restsprache“ nennt. Einzelne Wörter kombiniert sie zu poetischen Wortbildern, die Gedicht und Einkaufszettel zugleich sind. Anschließend kauft sie im Supermarkt die Produkte passend zu den ausgewählten Wörtern, legt sie in einer bestimmten Reihenfolge aufs Band und ratterratterratterpiep: Fertig ist das Kassenbongedicht! Halb Ready-made, halb Konkrete Lyrik und 100 Prozent Dada. Das scheinbar sinnlos Zufällige wird aus dem gewohnten Kontext gelöst, eine neuartig anarchistische Dimension entsteht.
Mit archivarischer Sammelwut hat sie im Laufe von sieben Jahren einen nach Sachgruppen geordneten Kassenbonwortschatz zusammengestellt, ein 120-Seiten-dickes Nachschlagewerk. Wörter wie „Williams Christ“ oder „Lux Dusche Götter“ findet man unter „Religion“, „Boticelli“ unter dem Schlagwort „Kunst“. Viel Arbeit steckt da drin und ein großes komisches Potential. Texttableaus, Kassenbongedichte, Videoinstallationen, Künstlerbücher, Fensterbeschriftungen, Lesungen – Körner nähert sich dem Phänomen Kassenbon mit unterschiedlichen Medien. / Kultur Vollzug (München)
Interessanter Ansatz. Würde gerne mal ein paar davon im Volltext sehen.
LikeLike
soetwas ist sehr spannend, eine engführung von alltag, alltagssotzilogie, geschichte und kunst. auch hier:
http://www.lange-liste.de/
LikeLike