51. Systemkritische Lyrik

scheiß kunst. scheiß sozialer frieden. scheiß bedürfnisstruktur,
noch einmal scheiß kunst. was ist aus uns geworden? […]

Wenn man Stefan Schmitzers Gedichte liest, kann einem zwischendurch das Geimpfte aufgehen: Der Ärger über die Verhältnisse kommt hoch und der Ärger über die eigene Bequemlichkeit. Schmitzers systemkritische Lyrik ist denkbar weit entfernt von jeglicher Einlullungsbehaglichkeit, wie sie landläufig unter dem Begriff „Gedicht“ firmiert. Schmitzer hat den Beat, er ist ein subtiler Beobachter des Politischen wie des Privaten, und er hat auch die Pose, das stille Gewisper der Lyrik in einen Rocksong zu verwandeln. Und: Schmitzer ist Poet genug, um in seinen groovenden Texten Platz für die Leerstelle zu lassen, die man als Leser mit seiner – ja sagen wir einfach – Seele füllen kann.

scheiß voraussetzungen für die scheiß voraussetzungslosigkeit.
sag neuer mensch, sag es anders,  sag am besten gar nichts
mehr.

Das wäre natürlich ein schönes Schlusszitat, aber der Vollständigkeit halber sei erwähnt: scheiß sozialer frieden ist noch einmal vielschichtiger als Schmitzers viel gelobter Erstling moonlight on clichy. der Grazer Dichter, Jahrgang 1979, erweitert in seinem neuen Lyrikband sein Formenrepertoire, spielt öfter ins Assoziativ-Prosaische, lässt auch Privates anklingen. Das Ergebnis: Post-Punk-Beat-Lyrik, bei der die Post abgeht. Brinkmann, Ginsberg und Ferlenghetti würden das sicher auch cool finden.

/ Werner Schandor, schreibkraft

Stefan Schmitzer: scheiß sozialer frieden. gedichte.
Droschl Verlag: Graz 2011

One Comment on “51. Systemkritische Lyrik

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    Gedichte
    Das Video zur ZEIT-Serie „Politik und Lyrik“: Die Autorin Nora Bossong trifft in ihrem Gedicht auf Gott und seine Frau.
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    >>> sehr geehrte redaktion,

    wollte Sie schon länger fragen, das anheim stellen und zu bedenken geben …
    komme aber erst jetzt aus aktuellem facebook-diskussionsanlass dazu:

    auch wenn man einige antworten sich ausmalen und vorwegnehmen kann:
    trotz wissens um funktionsweise & eigendynamik des betriebs bleibt es so verwunderlich auffällig wie aufsehenerregend und steht nicht unbedingt für eine adäquate bzw. sachdienliche vorgehensweise, dass die auftraggeber für politische ZEIT gedichte und diskussionsanwerfer „zuvörderst“ primär poetologisch ausgewiesene sowie rezent ausgezeichnete namen (inkl. einer gewissen vorgegebenen qualitätsbreite) ausgewählt haben ohne auch autoren wie (auf die schnelle) z.B. Stefan Schmitzer, Clemens Schittko, Enno Stahl, Tom Bresemann … die sich auch ohne höheren auftrag & extrabudget damit auseinadergesetzt haben und beschäftigen, zu wort kommen zu lassen oder zumindest unterschiedliche sicht- & schreibweisen miteinander zu konfrontieren?

    mit freundlichen grüßen
    klaus f. schneider

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