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Veröffentlicht am 6. Oktober 2011 von lyrikzeitung
Obwohl Dietmar Dath ein extrem produktiver Autor von Romanen und Artikeln ist, ist das in der Connewitzer Verlagsbuchhandlung erschienene Buch Gott ruft zurück sein erster Gedichtband. Dietmar Dath und der Heavy Metal, die Science-Fiction, der Marxismus der Gegenwart, die ästhetische Verteidigung drastischer Kunst: ja! Aber Dath und die Lyrik? Ungewöhnlich. …
Gott ruft zurück ist kein gereimtes lyrisches Sahnehäubchen auf Daths schriftstellerischem Schaffen. Es bricht mit kommunikativen Erwartungen, stellt sie klug in Frage. Darin nutzt der Text auf überraschende Weise das Potential von Gedichten – seltsame kommunikative Situationen produzieren können – das man ihnen eventuell im Jahr 2011 nicht mehr selbstverständlich zugetraut hätte. / Christopher Strunz, Die Zeit
Kategorie: Deutsch, DeutschlandSchlagworte: Christopher Strunz, Dietmar Dath
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großartiges Gedicht von Dath:
Klinikmädchen
Auf dem Bild bist du wenig
Warst krank, am Verschwinden
Dünne Beinchen. Du lächelst.
Ißt ein Eis. Willst gesund werden.
Warst enttäuscht von allen,
Eine Enttäuschung, die wie Fieber
Brach und den Weg freigab.
Auf dem Bild weißt du nicht
Ob du leben wirst.
Aber man sieht, du weißt schon
Daß du schöner bist als andre
Und klüger. Du lächelst.
Das Bild schützt mich heute,
Da mich was vernichten will
Und ich enttäuscht bin von allen,
Eine Enttäuschung, die wie ein Sturm
Lügen abdeckt und zerschlägt.
Damals wurdest du stärker
Als du so wenig warst.
Heute bist du mehr.
Oft alles, was ich sehn will.
Daß es Ungeheuer gibt,
Weißt du länger als ich.
Ich lerne. Du zwinkerst.
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bei aller interessantigkeit Ihres einwands: warum schon wieder anonym geäußert?
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bei allem großen respekt für dath als essayist und novelist, seine invektiven in „sämmtliche gedichte“ arbeiten mit all den klischees und nachdem diese schläge gut pariert wurden, scheint er jetzt beweisen zu wollen, dass er neben 13 büchern/p.a. (graphic novels, kochbücher, reiseführer, philosophie, (natur)wissenschaft, roman, erzählung, essay, kinderbuch, reiseführer etc. alt) neben „all genre“ auch gedichte kann. weiß nicht, da hapert es bei mir mit dem verständnis, megalomanie ist sache der dichtung nicht. oder doch? kleine formen etc. denke, denke.
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noch ein sahnehäubchen aus dem strunz-artikel über dath: „Der inklusive Inhaltsverzeichnis und einem Nachgedicht des Berliner Pop-Musikers Jens Friebe nur 55 Seiten kurze Band teilt einem nicht direkt mit, dass Dath von nun an auch als anspruchsvoller Lyriker ernst genommen werden möchte. Die Gedichte beschwören nicht einen neuen hohen Ton oder eine verschlüsselte poetische Unverständlichkeit.“ wichtig also für künftige debütant/inn/en: 1) anspruch unmissverständlich zum ausdruck bringen, auch (oder gerade) in schmalen bänden. soviel platz muss sein. 2) einen neuen hohen ton beschwören oder aber: eine verschlüsselte poetische unverständlichkeit beschwören, und zwar nicht etwa selber, nein, die gedichte müssen das tun. darauf freue ich mich schon fast.
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Ein ansonsten guter Artikel zu Tranströmer hat dann doch auch noch eine kleine Ohrfeige parat: »… mag Lyrik auch eine Gattung sein, die sich der Wertschätzung des emotional leicht überkandidelten Teils der Menschheit erfreut …« Eine Feige, die sich gleich wieder desavouiert: »Tomas Tranströmer spart nicht nur mit Wörtern, er erzielt auch seine Wirkung mit knappsten Mitteln«.
Bleibt nur, mit knappsten Mitteln das Abendbrot einzunehmen. Jetzt.
http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,790322,00.html
Siehe auch https://lyrikzeitung.com/2011/10/06/21-nobelpreis-fur-tomas-transtromer/
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„Darin nutzt der Text auf überraschende Weise das Potential von Gedichten – seltsame kommunikative Situationen produzieren können – das man ihnen eventuell im Jahr 2011 nicht mehr selbstverständlich zugetraut hätte.“ — Ich nehme dem Rezensenten sein Erstaunen ab. Um ein Zutrauen zu dem fassen, was Poesie heute kann, dazu gehört selbstverständlich auch ein Interesse für diesen Sprachmodus und die Vielfalt der Verfahren und Stile. Vielleicht ist es ja richtig, dass einer zur Dichterin oder zum Dichter geboren wird; zur Poesiekennerin und zum -kenner kann man sich freilich machen. – „[G]ereimtes lyrisches Sahnehäubchen“, in dieser Formulierung offenbart sich das Desinteresse an zeitgenössischer Poesie, das im deutschsprachigen Feuilleton immer öfter anzutreffen ist und sich dort (ein ums andere Mal erschreckend) unverblümt äußert. Wem nutzt dieses Desinteresse?
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Kurze Anmerkung zum besagten Desinteresse: Laut „Bild“ hat Kritiker-Pontifex Marcel Reich-Ranicki nach der Bekanntgabe des Literatur-Nobelpreisträgers Tomas Tranströmer gesagt: „Ich habe keine Ahnung, wer der Lyriker ist.“ Noch Fragen!!!
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