Das Archiv der Lyriknachrichten | Seit 2001 | News that stays news
„wir kontrollierten die, die uns beobachteten, indem wir genau das machten, was sie sahen.“
Wenn die Musikkritik die „Hamburger Schule“ wegen ihrer alltagsphilosophischen Songtexte als „Diskurspop“ bezeichnet, könnte man Falbs Lyrik analog dazu Diskurslyrik nennen. Er experimentiert an den Rändern dessen, was Lyrik vermag. Provokant testet er lyrische Verfahren, ohne neue Worte zu erfinden oder Metren zu bemühen, durch semantische Collagen und Kombination verschiedenster Diskursformen, durch permanente Cut-ups aktueller Slangs und sprachlicher Milieus: Fragen, Behauptungen und Aphorismen, die sich thematisch gegenseitig annähern, sich gekonnt ins Wort oder in die Arme fallen, wo ein einziger Gedanke zum Thema nicht genügen kann. Denn dass ein einziger Gedanke selten genügt, dass immer auch ein aber, eine Brechung, eine andere Seite mitgedacht werden muss, ist ja kein Problem von Falbs Texten, sondern der Lyrik, der Literatur mittlerweile insgesamt.
„foyers oder lobbys, in denen die zahlungsbereitschaft für ein einfaches glas wasser beständig steigt.“
Der Literaturkritiker Michael Braun vermisst in einer eher argwöhnischen Besprechung („Kühler Mischer der Diskurse“ Tagespiegel, 18.10.2009) in Falbs Texten das lyrische Ich und diagnostiziert nichts als „eine poetische Relaisstation … in der keine Gefühle mehr zählen, sondern einzig noch das beiläufige Registrieren von Sprachbewegungen“. Das ist angesichts der einander regelrecht ins Wort fallenden Gefühlsströme in Falbs Texten eine höchst erstaunliche Einschätzung.
/ Martin Jankowski, Die Berliner Literaturkritik 19.3.
FALB, DANIEL: Bancor. Kookbooks, Berlin 2009. 64 S., 19,90 €.
Neu bei der Berliner Literaturkritik:
Monika Thees über
„Die Schlange“ von Markus Epha
Kurzprosa, Notate und Gedichte
© Die Berliner Literaturkritik, 01.04.10
Neueste Kommentare