2001 April

Der Dichter Tomas Tranströmer wird 70 Jahre alt

Tomas Tranströmer war nie und ist kein Großschriftsteller, er ist Poet. Tomas Tranströmer ist nicht geschäftstüchtig, sein gesamtes Werk, seine sämtlichen Gedichte haben Platz in einem Buch von mittlerem Umfang. Tranströmer ist im umsatzträchtigen Sinn gewiss nicht populär. Doch sein Ruhm als Poet reicht über die Grenzen nicht nur seines Heimatlandes Schweden, sondern Europas hinaus. Seine Gedichte sind in mehr als fünfzig Sprachen übersetzt, und er stand mehrfach als aussichtsreicher Kandidat in engster Wahl für den Literatur-Nobelpreis.

1954 hat Tranströmer, damals 23 Jahre alt, seine ersten Gedichte veröffentlicht, und deren leise, doch zugreifende Modernität wurde in seinem Land sogleich erkannt, gerade weil sie sich jeder erhöhenden Selbstdarstellung verweigerten. Die Attitüde des Dichters als eines besonderen Menschen war und blieb dem am 15. April 1931 in Stockholm geborenen Psychologen, der lange in einer Anstalt für kriminelle Jugendliche tätig war, gänzlich fremd. / Heinrich Vormweg, Süddeutsche 14.4.01

Zum selben Thema schreibt auch die FAZ :

Langsam verlor sich danach der große Bilderschmuck der Sprache. Die späteren Gedichtsammlungen wie „Hemligheter på vägen“ (Geheimnisse auf dem Weg, 1958) und „Klangar och spår“ (Klänge und Spuren, 1966) sind schon viel nüchterner und stärker in Rhythmus und Ton. An die Stelle der Prachtmetapher rückt die persönliche Erfahrung, das einfache Bild, um das herum Tomas Tranströmer ganze Räume mit lakonischer Präzision entstehen läßt – große Geschichten aus einem kleinen Vers. „Das Gedicht, das völlig möglich ist. //Ich blickte hinauf, als die Zweige schwankten./Weiße Möwen aßen schwarze Kirschen.“ Wie diese Entwicklung zum Lakonischen im einzelnen verlief, läßt sich im schmalen Band der „Sämtlichen Gedichte“ nachlesen, die der Hanser Verlag 1997 veröffentlichte – in einem mäzenatischen Akt, denn von diesem Buch sind bis heute nicht einmal tausend Exemplare verkauft.

Der Schriftsteller Harald Gerlach

wandert Goethes Frühlingsreise von 1770 nach

Es gibt Wanderungen, deren Weg noch nach Jahrhunderten die einstige Bedeutung kenntlich macht. Goethes Frühlingsreise von 1770 ist ein solches bewegendes Beispiel. Erlebnis und Genuss überraschender Begegnungen kamen völlig neu in sein junges Leben. Und sie lösten die wohl gefährlichste Phase seines Lebens ab.

Es war der 4. April 1770, als Goethe zum Studium in Straßburg eintraf. Man könnte annehmen, dies sei bloß die logische Einlösung des bereits vor mehr als einem Jahr Angekündigten, dass er nun die Absicht habe, „nach Franckreich zu gehen, und zu sehen wie sich das französche Leben lebt, und um französch zu lernen!“. Hinter dem Plan steckte aber die schmerzvolle Erfahrung: „Mann mag auch noch so gesund und starck seyn, in dem verfluchten Leipzig, brennt man weg so geschwind wie eine schlechte Pechfackel.“ Krank an Körper und Seele, mit vertanem geistigen Gewinn und mit sinnlosem Verlust an viel Geld, ist der 19-Jährige aus Leipzig nach Frankfurt heimgekehrt. Zwei Jahre später wird Straßburg seine letzte Hoffnung auf Überwindung der Krisis. / Die Welt 14.4.01

Diverses

Die Welt druckt ein „Osterlied“ von Wolf Biermann. – Kathrin Schmidt schreibt über ein Gedicht von Christoph Meckel. – In der Frankfurter Anthologie stellt Sabine Doering ein Gedicht von Herrmann Burger vor. /FAZ 14.4.01

Literatur im Exil

Der mit 30 000 Mark dotierte Preis „Literatur im Exil“ der Stadt Heidelberg geht an den bosnischen Autor Stevan Tontic. Tontic erhält den Preis „für seine eindringliche und klarsichtige literarische Auseinandersetzung mit den Schrecken des Krieges sowie der Situation des Exils“, so die Begründung der Jury.

Stevan Tontic gilt als einer der bedeutendsten Lyriker des ehemaligen Jugoslawien. Er wurde am 30. Dezember 1946 in Sanski Most, Bosnien, geboren. Tontic studierte Philosophie und Soziologie und arbeitete als Verlagslektor in Sarajevo. Er veröffentlichte mehrere Lyrikbände, einen Roman sowie Essays und Übersetzungen deutscher Literatur. Bekannt wurde er vor allem durch seine Lyrikbände, von denen „Handschrift aus Sarajevo“ sowie einige Prosatexte ins Deutsche übersetzt wurden. Der 55-Jährige bekam Literaturpreise der Stadt Mostar (1985), der Stadt Sarajevo (1987), den Zmaj-Preis (Novi Sad, 1994) und den Horst-Bienek-Förderpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste (München, 2000). Er ist Herausgeber umfangreicher Anthologien wie „Neuere Dichtung aus Bosnien und Herzegowina“ (Sarajevo 1990) mit Gedichten von bosnisch-muslimischen, kroatischen und serbischen Autoren und „Moderne serbische Dichtung“ (Sarajevo 1991). / Rhein-Neckar-Zeitung 12.4.01.

I’m furious.

I’ve tried to get hold of 35 of my books. They’re stuck in a warehouse and can’t be found.

It’s incredibly frustrating – five years‘ work and I feel the book hasn’t been given a chance. Distribution is one of the greatest problems poets face in finding an audience.

Bookshops don’t know how to sell poetry, national papers rarely review it, publishers don’t promote it and yet there are readers out there./ Tagebuch der Lyrikerin Jackie Wills (who is starting six months as a poet in residence), BBC News 10.4.01

Die Anthologie von Gabriele Sander

geht den augenscheinlichen und atmosphärischen Spielarten des Blau in der Lyrik nach: der blauen Blume, dem blauen Himmel, den blauen Augen, dem blauen Kleid und den blauen Schuhen, blauem Getier vom Flusspferd bis zum Schmetterling, dem Blau des Meeres, des Südens, der Sehnsucht – denn: „Das Universum trägt heute wieder: Blau.“ /Kölner Stadtanzeiger

Blaue Gedichte
Gabriele Sander
Taschenbuch
140 Seiten
Reclam, Ditzingen 2001
ISBN: 3-15-018097-X
Preis: DM 7,00 / EUR 3,58

Eine Ausstellung über den Dichter Yvan Goll

Das kurioseste und zugleich bezeichnendste Exponat liegt unscheinbar in einer Glasvitrine: In einem aufgeschlagenen Buch betrachten sich zwei Schädel gegenseitig. Es sind Röntgenaufnahmen des elsässischen Dichters Yvan Goll (1891-1950) und seiner Frau Claire, beigefügt einer Rara-Edition gemeinsam verfasster Liebesgedichte, die nun neben einer Vielzahl weiterer Sonderausgaben, Illustrationen und Fotografien im Rahmen der Ausstellung „Yvan Goll: der unbehauste Dichter – Ein Leben für die Kunst zwischen Paris und Berlin“ zu sehen ist. In ihrer morbiden Transparenz verweisen die Aufnahmen auf das zentrale Anliegen des Lyrikers, Dramatikers, Romanciers und Essayisten: den Menschen zu durchleuchten, seinen Kern auszumachen und ihn in seinem Innersten zu verändern, ihn zu einem neuen Menschen im Sinne des Expressionismus und des Kommunismus zu formen. / Ralf Hertel, Berliner Zeitung 12.4.01

Gedichte in der Tagespresse

Die taz druckt heute ein Lob der Faulheit von Pablo Neruda , die Süddeutsche ein Gedicht von Albert Ostermaier (zum 40. Jahrestag des Flugs von Juri Gagarin) / 12.4.01

 

Die „Zeit“ empfiehlt

Gedichte beinahe en masse (auf einem guten Drittel einer Seite): Benedikt Erenz über Norbert Hummelts „zeichen im schnee“; ferner Kurzbesprechungen von erotischen Gedichten, dem „Jahrbuch der Lyrik 2002“ und natürlich Robert Gernhardt (Ulrich Greiner), schließlich ein Gedicht als Probe: Elisabeth Borchers. / Nr. 16, 11.4.01

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