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Der republikanische Senator Rand Paul hielt eine von Beobachtern als wichtig angesehene Rede zum jährlichen Gipfeltreffen der U.S. Hispanic Chamber of Commerce in Washington, DC., von der es im Vorfeld hieß, es ginge um eine Einwanderungsreform. Offenbar war sie gut vorbereitet – 90 Minuten vor seiner Redezeit stand ein halbes Dutzend Fernsehkameras bereit, ebenso wie die großen Zeitungen „NYT and WaPo“.
L&Poe mischt sich nicht in die US-amerikanische Politik ein*; aber Sprache(n) und Poesie spielten feste mit. Offenbar glaubt man es den Hispanics schuldig zu sein.
Paul begann mit einem Sprachmix:
Por favor disculpen mi Espanol. Como creci en Houston -es un poco ‚espanglish y un poco Tex Mex.
[Bitte entschuldigen Sie mein Spanisch. Da ich in Houston aufwuchs, ist es ein wenig „Spanglisch“ und ein wenig Tex Mex.]
Und mit einer Anekdote. Als Teenager jobbte er neben Immigranten beim Rasenmähen und dergleichen. Einmal fragte er einen von ihnen, wieviel er verdiene; “tres dolars”, antwortete er. Der Texaner: „Auch ich bekomme drei Dollar die Stunde“. „Nein,“ der Immigrant, „drei Dollar am Tag“.
Jetzt die Poesie.
Er habe Miguel de Unamuno im College gelesen. Der habe einen guten Rat für die Republikaner parat:
“Miremos más que somos padres de nuestro porvenir que no hijos de nuestro pasado.”**
[Laßt uns lieber Eltern unserer Zukunft sein als Kinder unserer Vergangenheit]
In Pauls politischer Prosa:
Die Republikaner müssen Eltern einer neuen Zukunft mit den Latinowählern sein oder wir bescheiden uns mit einem dauerhaften Minderheitenstatus.
Die Latinos würden viele Werte mit den Republikanern teilen, wie: Freiheit, Familie, Glauben, konservative Werte, Verteidigung des ungeborenen Lebens und der traditionellen Ehe.***
Sie wären also natürliche Verbündete der Republikaner, aber in ihrem Eifer zur Abschottung der Grenzen hätten die ihre Verbündeten vor den Kopf gestoßen.
Um das zu ändern, bemühte er außer der Erinnerung an seine deutschen Vorfahren noch zwei hispanische Dichter: Gabriel García Márquez und Pablo Neruda. Er zitiert Verse aus einem Liebesgedicht Nerudas, die irgendwie beweisen sollen, daß Latinos und Republikaner zusammengehören:
Niemand fängt die Leidenschaft der lateinischen Kultur besser ein als Pablo Neruda.
Ich mag, wie Neruda in „Wenn du mich vergißt“ eine leidenschaftliche Drohung ausstößt, aber so endet****:
„Pero
si cada día,
cada hora,
sientes que a mí estás destinada
con dulzura implacable,
si cada día sube
una flor a tus labios a buscarme,
ay amor mío, ay mía,
en mí todo ese fuego se repite,
en mí nada se apaga ni se olvida“Doch wenn Du
jeden Tag,
jede Stunde
empfindest, daß Du für mich bestimmt bist,
mit unverrückbarer Süße,
wenn jeden Tag
eine Blüte aufsprießt zu Deinen Lippen, um mich zu suchen,
ach, meine Liebe, ach, Meine,
so wiederholt sich in mir all dies Feuer,
und nichts erlischt in mir, nichts wird vergessen
Wer spürt da nicht die unverrückbare Süße und das vereinigte Feuer des gesamtkonservativen Dialogs. (Aber nicht aus Versehen Lorca zitieren – der war schwul.)
_____________
*) Paul schlug einen „Mittelweg zwischen Amnestie und Ausweisung“ vor („The solution doesn’t have to be amnesty or deportation,“ said Paul. „A middle ground might be called probation“), die Einführung einer Probezeit.
**) Ein Satz, der sich außer in Pauls Gedächtnis auch in jedem gedruckten oder digitalen Zitatlexikon findet.
***) Einige deutsche Konservative scheinen auch daran zu arbeiten. Es ist halt schwürig.
****) Zuckerbrot und Peitsche, fördern und fordern***** heißt das Mantra. Paul sagt auch, noch nie habe er einen Immigranten gesehen, der kostenloses Essen verlangt.
*****) An noch anderer Stelle auch: „Leidenschaft und Gesetzestreue“. Wie tief versteht die konservative Seele, warum die romanischen****** Sprachen romanisch heißen.
******) Das Wort romance vereinigt romanisch, romanhaft und romantisch. Ein guter Anfang für einen politischen Liebesroman.
Quelle: Slate
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