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Junge russische Literatur unter Pop-Verdacht – dass es dazu überhaupt kommen konnte, liegt fraglos vor allem an einem Autor: an Viktor Pelewin, dessen Werke seit längerem auf Deutsch vorliegen. Unvergessen ist das Gespräch seiner moribunden Kosmonauten über Pink Floyds «The Dark Side of the Moon» in «Omon hinterm Mond». Unvergessen auch die fiktiven Werbe-Treatments für westliche Waren, die der Held in «Generation P» (P wie Pepsi, Pop und Pelewin, siehe „Literaturen” 11/2000) anfertigt, nachdem er gemerkt hat, dass ihn hermetische Lyrik im neuen Russland nicht wirklich weiter bringt. Pelewin besitzt die Gabe, seine sehr eigentümliche, immer auch zur Simulation neuer Welten und zu buddhistischen Metamorphosen (man erinnere sich an die Pillendreher-Käfer in «Das Leben der Insekten») neigende Prosa mit schöner Selbstverständlichkeit mit Elementen der Pop- und Warenkultur zu durchsetzen. Allerdings beschränken sich seine reichhaltigen Romane und Erzählungen keinesfalls auf Themen oder Verfahren des Pop. …
1997, so ist dem Klappentext des Bändchens zu entnehmen, strich man Pelewin von der Auswahlliste des russischen Booker-Preises mit der Begründung, seine Werke verhielten sich wie ein Virus – sie zerstörten das kulturelle Gedächtnis. So lautet freilich zu allen Zeiten der Einwand des politischen und kulturellen Establishments gegen vitale junge Literatur. Allzu schmerzlich macht diese wohl bewusst, dass die Kultur der Gegenwart, deren Archivierung und Erinnerung Literatur sich zur Aufgabe macht, längst nicht mehr die der Alten ist. / Moritz Baßler, kultiversum.de
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