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Veröffentlicht am 20. September 2009 von lyrikzeitung
Wenn zum 50. Jahrestag der Erstveröffentlichung nun die deutsche Übersetzung der originalen Fassung erscheint, wird damit ein wichtiges Dokument der Underground-Literatur abermals erschlossen. Die Übersetzung von Michael Kellner ist oft etwas präziser als die alte, bei Zweitausendeins erschienene Übersetzung von Carl Weissner, löst aber auch gelegentlich manche harte, bissige Fügung in allzu betuliche Syntax auf, die den typischen beat vermissen lässt. Was jedenfalls heute noch an «Naked Lunch» beeindruckt, sind die Textform, die Protokoll, Erzählung und Traktat schroff nebeneinanderstellt, und die Radikalität, mit der Burroughs‘ Stil von sachlicher Sprache unvermittelt in einen obszönen Slang wechselt. Als literarisches Kunstwerk kommt es allerdings stellenweise allzu zeitgebunden daher, die gewaltsamen Tabubrüche können kaum mehr schockieren, vielleicht, weil der Mythos der wilden Sechziger inzwischen nostalgisch verklärt wurde. / Jürgen Brôcan, NZZ 19.9.
William S. Burroughs: Naked Lunch. Die ursprüngliche Fassung. Aus dem Englischen von Michael Kellner. Nagel & Kimche im Carl-Hanser-Verlag, München 2009. 378 S., Fr. 42.90. Jürgen Brôcan lebt als Lyriker, Übersetzer und Publizist in Dortmund.
Kategorie: Englisch, USASchlagworte: Jürgen Brôcan, William S. Burroughs
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