Alle Gedichte aus Artmanns Trommel

Für entsprechende Textsammlungen bedurfte es eines sorgsamen Herausgebers. In Klaus Reichert hat das Werk von H. C. Artmann einen solchen gefunden. Nach der mehrbändigen Prosasammlung Grammatik der Rosen (1979) liegt unter seiner Herausgeberschaft jetzt ein umfangreicher Lyrikband vor, der alles versammelt, was greifbar war, und der ein echtes poetisches Testament bildet. Artmann selbst hat an der Gliederung des Bandes noch mitgewirkt, die Zusammenstellung folgt den einzelnen Gedichtzyklen und Buchveröffentlichungen, an einigen Stellen ist es zu Umstellungen gekommen. Eine dieser nachträglichen Korrekturen ist mir aufgefallen, weil sie mein Lieblingsgedicht aus dem Band Aus meiner Botanisiertrommel (1975) betrifft. Von Artmann wurde der Text, der wie alle Gedichte dieses Buches nach dem Muster der deutschen Volksliedstrophe geformt ist, aus dem ursprünglichen Zusammenhang genommen und von Reichert in die letzte Abteilung mit Verstreuten Gedichten gestellt: „ganz versteckt in wildem wein / haust des wieners mütterlein, / schneeweiß weht ihr blondes haar, / weil sie nie beim zahnarzt war. // witwe sein voll müh und plag, / ist kein schöner namenstag, / doch ein gärtlein in stadlau / reicht zum trost der alten frau […].“ …

7-mal musste man läuten, um in Artmanns Wohnung zu gelangen. Nachdem man mehr als 700-mal umgeblättert hat, ermisst man die Spannweite seines einzigartigen lyrischen Werks: „Jetzo / fällt mir / ein stein / vom herzen / pardautz! / da liegt er.“ / Klaus Kastberger, Die Zeit 22.5.03

H. C. Artmann: Sämtliche Gedichte
Hrsg. von Klaus Reichert unter Mitwirkung und in der Anordnung des Autors; Jung und Jung, Salzburg 2003; 799 S., 29,–

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