Das Gewitter blüht

Amalie Ehrengarte Sophie Wilhelmine (Emmy) von Dincklage-Campe (* 13. März 1825* auf Gut Campe, Gemeinde Kluse (Emsland); † 28. Juni 1891 in Berlin), evangelisch-lutherisch, war eine deutsche Romanschriftstellerin. (Wikipedia)

*) Morgen vor 200 Jahren

Sie hat auch Gedichte geschrieben. Die hochdeutschen fand ich meist etwas kitschig, aber einige Dialektgedichte klingen interessant. Ich habe ein kurzes herausgesucht, das für eine kleine vergnügliche Sprachübung taugen mag. Ein Scherzlied, wenn ich es richtig verstehe. Die Geschichte ist einfach: Trienke (Katrinchen?) ist es zu warm zum Arbeiten, und Gert will sie antreiben. Aber es ist so heiß, keine Wolke in Sicht. Oder sammeln sich erste Gewitterwolken (blüht der Grummel)? Erst sieht Gert die Wolken (es gewittert bald, wir müssen uns ranhalten) und Trienke nicht. Dann scheint es sich zu drehn. Plötzlich sieht Trienke ihn, den Grummel blühn, und Gert sieht nichts. Trienke bringt ihm bei, was ’ne Harke bzw. ein Grummel ist. Von „de Grummel“ zu „dien Grummel“. Dann gibt’s ein Donnerwetter! Aufs Ohr!

De Grummel bleiht.125

Wat sün126 ick warm! sää127 Trienke.
Von Arbeit nich! sää Gert.
De Sünne steck! sää Trienke.
Steck Schoufel man!128 sää Gert
Nien129 Wolk in d’ Luft! sää Trienke.
De Grummel bleiht! sää Gert.
War süst130 du dat? sää Trienke
Dat seeh ick so! sää Gert.
War kennst du’t bie? sää Trienke.
Well’t131 kennt, de kennt ‘t! sää Gert.
Ick seeh üm132 bleihn! sää Trienke.
War kennst du’t bie? sää Gert.
Holt her dien Ohr! sää Trienke.
Nu Heb ick’t lehrt!133 sää Gert,
Dien Grummel bleiht un — sleiht!134

125 das Gewitter blüht; so sagt man, wenn sich kleine Gewitterwölkchen sammeln. 126 bin. 127 sagte. 128 nur. 129 kein. 130 wo siehst. 131 wer es. 132 ihn, d. i. den Grummel, das Donnerwetter, das Gewitter. 133 gelernt. 134 schlägt, schlägt ein.

Quelle: Johannes Matthias Firmenich (Herausgeber); Germaniens Völkerstimmen, Sammlung der deutschen Mundarten in Dichtungen, Sagen, Mährchen, Volksliedern u. s. w.; Dritter Band, Seite 493, Schlesinger’sche Buch- und Musikhandlung; Berlin; 1854

Gefunden bei https://www.stimm-los.de/lyrik/dincklage/

2 Comments on “Das Gewitter blüht

  1. Hallo, ostfriesisches Platt dürfte das sein, und es geht um etwas, das sich beim Geert rührt; Trinchen braucht eine Weile, um draufzukommen. Ganz jugendfrei ist es nicht 😁

    Jacqueline Winter

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    • Das kann gut sein. Ein interessantes Phänomen. Einerseits war man im 19. Jahrhundert ziemlich prüde. Wenn ein junges Mädchen wie Sibylla Schwarz 250 Jahre früher ein anzügliches Gedicht schrieb, erfand man eine Legende, um die vermeintliche Bosheit zu erklären. (Die Sibylla-Legende lebt bis heute fort in Roman, Drama und sogar Oper über die Dichterin). Aber auf der anderen Seite war man Philologe und der ganzen Wahrheit verpflichtet. Also freute man sich diebisch, in Volksliedsammlungen um der ganzen Wahrheit willen auch das Volkslied „Fick mich, lieber Peter“ abzudrucken. – Ein Restbestand dieser philologischen Subversität fand sich noch in der DDR, als Philologen ein Verzeichnis aller Gedichttitel von Bertolt Brecht erstellten. Darin listeten sie alle Titel und Anfangszeilen auch aller aus politischen oder moralischen Gründen unveröffentlichten Gedichte auf, und die Kenner zeigten sich solche Titel wie „Am besten fickt man erst und badet dann“ oder „Sie hatten einen Kübel Scheiße“.

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