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Die Realität ist viel komplizierter und trauriger als die Bilder im Fernsehen: Wir sind in einen echten Krieg hineingeraten. Wie es ist, in diesen Tagen in der Ostukraine zu leben.
Von Serhij Zhadan, FAZ
Seit zwei Monaten ist es unruhig und gefährlich in den Städten der Ostukraine. Begonnen als friedliche prorussische Demonstrationen, haben sich die Aktionen des sogenannten „Russischen Frühlings“ zu einem echten bewaffneten Konflikt entwickelt – mit besetzten Verwaltungsgebäuden, Hunderten von Verletzten (und neulich auch Toten) und einer anberaumten Anti-Terror-Operation der ukrainischen Regierung gegen die Separatisten im Gebiet Donezk. Ich glaube, dass vor anderthalb Monaten kaum jemand solche Entwicklungen voraussehen konnte. Die Anhänger vom „Majdan“, also Menschen, die die ukrainische Revolution unterstützt haben, darunter auch ich, konnten sich Folgendes jedenfalls nicht vorstellen: Dass sie sich nun gegen ihre eigenen Landsleute wehren müssen, die die neue Regierung in Kiew nicht anerkennen und es für möglich halten, im Nachbarland um militärische Unterstützung zu bitten.
Nach Protesten gegen das Regime, gegen den Präsidenten und seine Clique haben sich die Ereignisse in den Osten des Landes verlagert und zu einem echten gesellschaftlichen Konflikt entwickelt, gewissermaßen einem Bürgerkrieg. Das massenhafte und brutale Zusammenschlagen von „Euromajdan“-Aktivisten durch die Vertreter von „Antimajdan“ in Charkiw, Luhansk und Donezk auf der einen und der „Schandkorridor“ für die Separatisten in Saporischja auf der anderen Seite haben die Proteste in diesen Städten längst von friedlichen Demonstrationen zu Straßenschlachten und allgemeiner Aggression mutieren lassen.
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