126. Heldenproduzenten

1914 war das anders, da war die Zeit so groß, dass sie nur noch Deutsche beziehungsweise Engländer, Franzosen, Russen und so weiter kannte, die alle in der Vaterländerei schwelgten und Helden sonder Zahl produzierte. Der Krieg musste so sein, wie Rilke seinen „Cornet“ geschildert hatte, ein Buch für den Tornister, geschrieben angeblich in einer einzigen Nacht: „Reiten, reiten, reiten, durch den Tag, durch die Nacht, durch den Tag.“ Nie gab es eine bessere Zeit für Dichter.

Rudolf Alexander Schröder brummt zu Kriegsbeginn Pathetisches: „Heilig Vaterland/ in Gefahren,/ deine Söhne stehn,/ dich zu wahren,/ von Gefahr umringt,/Heilig Vaterland,/schau, von Waffen blinkt/jede Hand.“ Es kostet ja nichts oder allenfalls ein paar große Worte, wenn Heinrich Lersch den Tod feiert: „Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen.“

Der Satz steht seit 1932 an der Mauer des Soldatenfriedhofs Langemarck, er steht noch heute unter einem Kriegerdenkmal am Hamburger Dammtorbahnhof. Die sterbenssüchtigen Dichter wussten ja nichts von der Materialschlacht, vom Stellungskrieg, vom massenhaften Verrecken selbst bei leichten Verletzungen. (…)

Im Gymnasiasten erwacht der Dichter. Den Kaiser feiert er mit August-Stramm-Härte, wenn er „König des Lands“ auf den Genitiv „Immanuel Kants“ reimt. Die Lokalzeitung druckt auch das gern. Von diesem Wilhelm II. weiß der junge Brecht genau, dass er rief „zum Krieg seiner Deutschen eherne Schar/Weihte klirrend das alte Schwert am Altar“. Vom Schwert, dem klirrenden, kann der sich unter dem Pseudonym „Berthold Eugen“ erregende Dichter gar nicht genug kriegen. Mit der Feder in der Faust wirft er sich in die „Kriegsfürsorge“: „Zu teilen heißt es jetzt sein Hab und Gut/Mit denen, deren Nährer mit dem Schwert/In den Fäusten ließen stolz für Dich ihr Blut“. Unsägliches Zeug, pubertäre Verse, aber nicht anders als das, was erwachsene Dichter 1914ff. hekatombenweis produzierten. / Willi Winkler, Süddeutsche Zeitung 28.3.

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