75. Multikulturell

Einige indische Lyriker sind inspiriert von der reichen poetischen angloamerikanischen Literatur. Andere wiederum holen ihre schöpferische Kraft aus den alten Epen und Mythen Indiens. „Wir können Dinge mit der Syntax anstellen, die die Sprache auf vielfältige und eigene Weise zum Leben erweckt“, schrieb der indischstämmige Dichter Agha Shahid Ali über die Vorzüge seiner Dichtkunst in englischer Sprache. Die Lyrikerin Eunice de Souza war acht Jahre alt, als Indien die Unabhängigkeit erlangte. Ihre Gedichte handeln nicht von den Konflikten einer jungen Frau im unabhängigen Indien, sondern von den Auseinandersetzungen mit der eigenen Identität als Christin mit hinduistischen Ahnen aus der portugiesischen Kolonie Goa. Die Vorfahren von Eunice de Souza gehörten ursprünglich zu einer Brahmanenfamilie. Auf Druck der Kolonialherren wurden aus Hindus Christen mit einem portugiesischen Familiennamen. Was Eunice de Souza in ihren Versen hinterfragt, ist eine Geschichte, die ihre Familie stolz als heroische Vergangenheit pflegt. Die englische Sprache und die portugiesisch-indische Kultur verbinden Eunice de Souza auf zweifache Weise mit Europa. / Clair Lüdenbach, Faustkultur

Begegnung auf einer Londoner Party

Aus: Fünf Londoner Stücke

Für eine Minute standen wir verlegen beieinander
Du fragst Dich in welcher Sprache Du mit mir sprechen solltest
reichst stattdessen eine eingelegte Zwiebel am Spieß.
Du bist jung und hast vielleicht vergessen
daß das Empire lebt
nur in den reinen Vokalen, die ich dir anbiete
über dem Lärm.

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