Eindringlinge und Tyrannen

Sein Werk kündet von der Tragödie nicht nur des irakischen Volks, seiner von wechselnden Diktaturen immer wieder enttäuschten Aufbruchshoffnungen. 1971, als ihn die nationalistische Baath-Regierung mit ihren «Säuberungen» vertrieb, kommentierte ein Vers: «Ich habe alle Despoten der alten Welt erlebt, doch jetzt entdeck‘ ich die Despoten der neuen Welt.» 1999, kurz vor seinem Tod, hat sich das Urteil noch verdüstert: «Das irakische Volk wurde von jeher von aussen und innen angegriffen. Und die Tyrannen waren so grausam und verbrecherisch wie die Eindringlinge. Sogar schlimmer. Die Eindringlinge gehen wenigstens wieder, wenn sie geraubt und zerstört haben, und lassen das Volk in Ruhe. Aber die Tyrannen bleiben.» … Al-Bayyatis Werdegang ist exemplarisch. Er trat als Romantiker an, schwang sich mit seinem zweiten Gedichtband 1954 zu einem Pionier der freirhythmischen Moderne auf und fand um 1970, von revolutionären Regimen enttäuscht, zum literarischen Sufitum. Dabei hat al-Bayyati selten auf die Musik nunmehr wechselnder statt – wie in der klassischen arabischen Poesie – immer gleicher Reime verzichtet. Verfechter einer radikalen Moderne haben ihm das verübelt. Sie hätten wohl ihre Freude an der vorliegenden Übersetzung ins Reimlose; wir hingegen vermissen etwas vom verführerischen Wohlklang seiner Worte – und, nebenbei, eine durchgängige Datierung der Gedichte. Was die Sufitöne al-Bayyatis oder etwa auch Adonis‘ betrifft: Die Hommage an die sufistischen Denker Ibn Arabi und Suhrawardi ist nicht im Geringsten religiös. «Ich schreibe nicht für Leute, die in einer Moschee beten!» (1999).
Ludwig Ammann, NZZ 21.8.03

Abdulwahab al-Bayyati: Aischas Garten. Ausgewählte Gedichte. Arabisch/Deutsch. Aus dem Arabischen von Khalid al- Maaly und Heribert Becker. Verlag Hans Schiler, Berlin 2003. 169 S., Fr. 27.50

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