Der Feuersturm brüllt

Der Spiegel spricht mit Wolf Biermann über seine Erinnerungen an den Hamburger Feuersturm vor 60 Jahren:

Meine Mutter freute sich über die Bombenangriffe, weil auch sie Kommunistin war – und weil nicht allein mein Vater, sondern unsere gesamte jüdische Familie ermordet worden war. Die alliierten Bomber waren unsere Freunde, wie man es kindisch sagt: unsere Verbündeten, die uns befreien sollten, von den Nazis…. In der ersten Nacht brannte unser Haus noch nicht ab, sondern nur die Häuser rundum. Unser Haus stand da noch wie ein einzelner Zahn im Gebiß. Wir saßen dann in der nächsten Nacht wieder im Bombenkeller unter dem Haus, und nun brannte auch unser Haus. Über uns der Weltuntergang! Und im Keller saßen die Leute wie die Tiere, es war bald klar, dass wir nicht mehr rauskommen, weil die Glut schon die Kellertreppe herunterkroch. Mit einer Spitzhacke wurde also ein vorbereiteter Durchbruch aufgeschlagen, der nur einen halben Ziegelstein stark war: zum Nachbarhaus, das ja schon abgebrannt war – zum Glück! Und dann krochen die Leute – einer nach dem anderen – mit irgendwas, was sie gerade noch erwischten, durch dieses Loch in der Brandmauer zum Nachbarhaus und verschwanden. … Eine unglaubliche Geräuschkulisse! Es ist eben die Hölle, es ist das Höllenfeuer. In der Hölle ist es laut, nicht nur heiß. Der Feuersturm brüllt!

/ 26.7.03

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