Das Archiv der Lyriknachrichten | Seit 2001 | News that stays news
Veröffentlicht am 5. Dezember 2025 von lyrikzeitung
142 Wörter, 1 Minute Lesezeit.
Zugegeben, gestern gab es noch ein größeres Jubiläum – den 150 Geburtstag von Rainer Maria Rilke. Hier ein kleines Gedicht des großen Dichters, ein Sonett aus den „Neuen Gedichten“.
Rainer Maria Rilke
(* 4. Dezember 1875 in Prag; † 29. Dezember 1926 im Sanatorium Valmont bei Montreux, Schweiz)
Der König
Der König ist sechzehn Jahre alt.
Sechzehn Jahre und schon der Staat.
Er schaut, wie aus einem Hinterhalt,
vorbei an den Greisen vom Rat
in den Saal hinein und irgendwohin
und fühlt vielleicht nur dies:
an dem schmalen langen harten Kinn
die kalte Kette vom Vlies:
Das Todesurteil vor ihm bleibt
lang ohne Namenszug.
Und sie denken: wie er sich quält.
Sie wüßten, kennten sie ihn genug,
daß er nur langsam bis siebzig zählt
eh er es unterschreibt.
Paris, um den 1. Juli 1906
Aus: Rainer Maria Rilke, Werke in drei Bänden. Hrsg. von Horst Nalewski. Erster Band: Gedichte. Leipzig: Insel, 1978, S. 436f
Kategorie: Österreich, Deutsch, TschechoslowakeiSchlagworte: Der König, Dinggedicht, klassische Moderne, Lyrik des 20. Jahrhunderts, Lyrikzeitung, Neue Gedichte, Paris 1906, Prag, Rainer Maria Rilke, Rilke 150 Jahre, Rilke Jubiläum, Rilkes Geburtstag, Sonett
Kann zu diesem Blog derzeit keine Informationen laden.
Neueste Kommentare