Gleichungen und Pferde
Veröffentlicht am 2. Juli 2025
von lyrikzeitung
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267 Wörter, 1 Minute Lesezeit
Kurz nachdem ich die Zusage zur Veröffentlichung meines ersten Buches bekommen hatte, schlug mein Lektor – der es gut meinte – vor, die langen Zeilen in diesem Gedicht umzubrechen: es würde dadurch besser wirken. Ich brach die Zeilen um. Es war ein Fehler. Der Text erschien in »American Letters & Commentary« und dann in »The Best American Poetry« mit den ursprünglichen langen Zeilen – die zugleich ganze Sätze sind. Diese Version ist die korrekte. Ich schere mich nicht weiter um die Pseudo-Unterschiede zwischen Poesie und Prosa. Dieses Gedicht ist Prosa. Ich bin eine Autorin von Prosa. Die Königin ist tot, lang lebe die Königin. Man vergeudet viel Zeit damit, die Oppositionen falscher Dualismen zu debattieren. »Der Reiter« beklagt diese vergeudete Zeit.
SARAH MANGUSO
Der Reiter
Einige glauben, das Ende blüht uns
in Form einer mathematischen Gleichung.
Andere glauben, es kommt als leuchtendes Pferd.
Ich errechne eine Wahrscheinlichkeit von genau fünfzig Prozent:
Entweder etwas passiert oder es passiert nicht.
Ich öffne ein Fenster,
ich entwühle das Bett.
Irgendwie bringt mich alles, was ich mache,
näher an die Gleichung oder das Pferd heran.
Der Tod kommt in Form eines Pferdes,
von leuchtenden Gleichungen bedeckt.
Es wird keine weiteren Hinweise geben, das ist mir klar.
Ich beginne mein Pferd zu lesen.
Die Gleichungen sind in die Umrisse von Pferden gezeichnet:
Pferde, mit Gleichungen bedeckt.
Wenn ich wegreiten will, versuche ich,
ein Bein um die Welt zu schlingen,
denn ich bin geneigt, die flache Prärie
der Anfänge und Enden weit hinter mir zu lassen.
SARAH MANGUSO
aus dem Amerikanischen von Ron Winkler
Aus: sprachgebunden. Zeitschrift für Text + Bild. Ausgabe 3, 2007. Edition Chiméra, S. 60f
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Kategorie: Englisch, USASchlagworte: American Letters & Commentary, amerikanische Gegenwartslyrik, Übersetzte Lyrik, Der Reiter, Dichterinnenstimme, Edition Chiméra, Entscheidung und Existenz, Gleichungen und Poesie, Lyrik 21. Jahrhundert, Lyrik oder Prosa, mathematische Metaphern, Pferde in der Lyrik, Prosagedicht, Pseudo-Dualismen, Ron Winkler, Sarah Manguso, sprachgebunden, The Best American Poetry, Tod und Gleichung, US-amerikanische Autorinnen
Gleichungen und Pferde
Veröffentlicht am 2. Juli 2025 von lyrikzeitung
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267 Wörter, 1 Minute Lesezeit
Kurz nachdem ich die Zusage zur Veröffentlichung meines ersten Buches bekommen hatte, schlug mein Lektor – der es gut meinte – vor, die langen Zeilen in diesem Gedicht umzubrechen: es würde dadurch besser wirken. Ich brach die Zeilen um. Es war ein Fehler. Der Text erschien in »American Letters & Commentary« und dann in »The Best American Poetry« mit den ursprünglichen langen Zeilen – die zugleich ganze Sätze sind. Diese Version ist die korrekte. Ich schere mich nicht weiter um die Pseudo-Unterschiede zwischen Poesie und Prosa. Dieses Gedicht ist Prosa. Ich bin eine Autorin von Prosa. Die Königin ist tot, lang lebe die Königin. Man vergeudet viel Zeit damit, die Oppositionen falscher Dualismen zu debattieren. »Der Reiter« beklagt diese vergeudete Zeit.
SARAH MANGUSO
SARAH MANGUSO
aus dem Amerikanischen von Ron Winkler
Aus: sprachgebunden. Zeitschrift für Text + Bild. Ausgabe 3, 2007. Edition Chiméra, S. 60f
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