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„Nathan Who?“, fragen die Kritiker, als Nathan Niedlich bei der Verleihung des renommierten Italo-Svevo-Preises die Bühne betritt. „Nie gehört“, sagen kopfschüttelnd auch die geladenen Lektoren und warten auf die literarische Prominenz des Abends. Niedlich, Autor von acht Romanen, Bachmann-Preisträger und Villa-Massimo-Stipendiat, ist solche Demütigungen gewohnt. Seit Jahren schreibt er nur noch für die Schublade, die Absagen der Verlage füllen mehrere Ordner. Aber er ist nicht der Einzige, den unvorhersehbare Strömungswechsel im Literaturbetrieb an den Rand der Bedeutungslosigkeit getrieben haben. Für Nathan Niedlich, kurz N. N., ließen sich viele Namen einsetzen, vor allem aber der von Wolfgang Hegewald, dem Autor des Romans, dem die genannte Episode entstammt.
Wolfgang Who? Der 1952 in Dresden geborene Hegewald veröffentlichte in den achtziger Jahren nach seiner Ausreise aus der DDR einige hochgelobte Romane in renommierten Verlagen, erhielt den Bachmann-Preis und das begehrte Rom-Stipendium. Und doch blieben seine Bücher das, was Hegewald heute selbstironisch „Rezensionserfolge“ nennt. Nach zwölf Jahren der verlegerischen Obdachlosigkeit hat er nun bei Matthes & Seitz ein neues Zuhause gefunden und schießt mit „Fegefeuernachmittag“ einen mit Ironie und Sprachwitz gespickten Pfeil in den literarischen Betrieb ab. …
Es ist ein gelungenes Versteckspiel mit einigen illustren Figuren der deutschen literarischen Szene, das zu entschlüsseln auch für Außenstehende eine Freude ist. Köstlich, wie etwa aus Sigrid Löffler Edda Gabler wird, die weichhändige Großkritikerin, deren Gedankengänge zuweilen nur in den ruckhaften Bewegungen ihres germanisch-blonden Haarhelms nachzuvollziehen sind. Großartig auch, wie pointiert Hegewald immer wieder die Absurditäten des Betriebs aufspießt. Etwa in der Szene, in der ein „renommierter Novellist“ während eines deutsch-deutschen Dichtertreffens auf einer Ostsee-Fähre mit sofortiger Abreise droht, weil ebenso eine gewisse Ellen Butt-Prömse an Bord ist, die einst mit „Pferde-Lyrik“ in Deutschland weltberühmt geworden sei und neuerdings florale Metaphern bevorzuge. Hegewalds Alter Ego N. N. entgegnet, es mache sich doch nur lächerlich, wer auf offener See mit vorzeitiger Abreise drohe, was wiederum ein bezeichnendes Licht auf den Realitätssinn des vielgerühmten Erzählers werfe. / Sarah Elsing, FAZ 30.12.
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