34. Poesie in der FAZ

Bei Radio F.R.E.I:

Aus neutraler Sicht von Albert Jörimann „Jan Wagner“

Ich kenne Herrn Jörimann nicht, sein Stil ist gewöhnungsbedürftig, aber wer spricht oder plaudert sonst noch über in der Zeitung abgedruckte Gedichte?* Hier der Schluß seines Textes:

Im gleichen Kästchen findet die FAZ noch Raum für ein zweites Gedicht mit dem Titel «Ohio», von dem ich nur noch zwei Auszüge zitiere: «Die ersten trockenen Blätter schweben herab,/als brenne irgendwo eine Bücherei.» – Spontan fühle ich mich von dem Bild angesprochen, da ich wie die meisten Menschen die Bücher noch nicht mit einem Kindle-Reader lese bzw. vielleicht gerade wegen der entsprechenden Zukunft eine gewisse Bücher-Nostalgie pflege, neben all den anderen Assoziationen wie Bücherverbrennungen oder der brennenden Bibliothek aus dem Namen der Rose; und dennoch bleiben bei genauer Lektüre Zweifel hängen, ob Laubblätter im Herbst wirklich nicht einfach fallen wie von weit, sondern als ob irgendwo eine Bücherei brennen; wenn mans ganz genau besieht, vielleicht doch eher von weit –

Und dann schließt das Gedicht wie folgt: «Im Norden liegen die großen Seen/Und der Wind geht durch bis nach Chile.» – Dies nun ist ein absolut unlyrisches Ende. Der Herr Autor schöpft diesen Spruch aus dem Klassenzimmer oder aus der Bücherei oder dem Internet, aber offensichtlich nicht aus dem Quelltopf der persönlichen Erinnerung, Beobachtung oder Amalgamierung. Das ist übelstes Plattdeutsch. Der Wind geht durch bis nach Chile – so kann mans nicht machen.

Trotzdem: Jan Wagner gibt die [sic] Vermutung, dass Lyrik auch im Jahr 2009 und, wer weiß, sogar im Jahr 2010 noch möglich wäre, nicht allzu viel, aber doch immerhin etwas neue Nahrung.

*) Welche Zeitung druckt sonst noch regelmäßig Gedichte ab? Die FAZ hats bzw. tuts!

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