59. Tödliche Verse

Der seit 1994 in einem französischen Gefängnis einsitzende Terrorist Ilich Ramírez Sánchez, genannt Carlos, lässt demnächst von ihm eigenhändig geschmiedete Terrorgedichte veröffentlichen. Wie die französische Tageszeitung Le Figaro am Mittwoch berichtete, schmachtet der Venezolaner gern seine Rechtsanwältin Isabelle Coutant-Peyre in Versform an. Und seine Anwältin, die ihn daraufhin prompt heiratete, hat nun nichts Besseres zu tun, als die Gedichte in ihrer Anfang März erscheinenden Autobiografie zu veröffentlichen. Man weiß gar nicht, wen man von den beiden mehr bedauern soll, wenn man die Schmalzverse liest: „Erschüttert vom tiefen, fließenden, tellurischen Verlangen, deine Berge und deine Täler zu erkunden, sie zu streicheln, zu küssen, anzuknabbern, bis zur pyrotechnischen Explosion, andauernd, ekstatisch …“ – und so weiter, fließt dem Terrorpoeten das Herz über die Zunge. Wenn Gedichte töten könnten, Carlos hätte die tödlichste Kitschwaffe der Welt erfunden. / taz 19.2.04

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