Das Archiv der Lyriknachrichten | Seit 2001 | News that stays news
Veröffentlicht am 18. September 2023 von lyrikzeitung
Johanna Schwedes
Zufälligkeit mindert ja nicht die Schärfe einer Rasierklinge oder die Erinnerung deiner Hand an meiner Schläfe aber du möchtest wie Rauch aus einer Kaliber ‘38 im Kosmos aufgehen und versicherst dabei alles, wirklich alles geschehe mit gutem Grund. Während du allverbunden auf dem Sofa wie Kautabak deine Zunge im Mund hin und her bewegst öffne ich ein Fenster (nein, nicht in meinem Kopf. Das zweite, zur Straße hin) und hole Luft. Fühlt sich etwas an wie eine Rasierklinge an der Nase (könnte ich dir aufs Sofa werfen) und mit dem Ton (fiuuuup) eines Vogels mit schwarzem Kopf und Autos und Wind und der Unvereinbarkeit dieser zwei Rauschen fällt mir, Ellenbogen aufs Fensterbrett Gedanken in so was wie imaginäre Hände gestützt ein kantiger Stein, Stein vom Dorfstraßenrand, Staub drauf und kleben gebliebene Mücken und Spucke von einem wütenden Kind scharfkantig die Kehle herunter durch die Speiseröhre in den Magen und ich möchte überhaupt ich möchte nur eine Schleuder finden, den Stein in hohem Bogen aus dem Fenster! auf dass er ein Loch schlägt in den Gesang des armen schwarzstirnigen Vogels und heraus schält sich der Himmel wie eine Umarmung aber das verkneife ich mir
Aus: Jahrbuch der Lyrik 2022. Hrsg. Matthias Kniep und Nadja Küchenmeister. Frankfurt/Main: Schöffling, 2022, S. 82
Kategorie: Deutsch, DeutschlandSchlagworte: Johanna Schwedes
Kann zu diesem Blog derzeit keine Informationen laden.
Neueste Kommentare