Großes Lob

Seit einem Jahr sind die Sender und die – um das Wort komm ich jetzt nicht herum – Gazzetten voll des Lyriklobs. „Lyrik erlebt derzeit ein Hoch“ (Börsenblatt 3.6.15); „Lyrik steht derzeit hoch im Kurs beim Publikum“ (NZZ 29.7.15); „Heute ist Lyrik en vogue und aus der Mitleidsecke heraus“ (DLR 16.8.15); Lyrik findet zunehmend Beachtung“ (dpa 31.1.16); „Renaissance der Lyrik in Zeiten des Gelabers“ (Süddeutsche 4.3.16); als hätte für die deutsche Lyrikwelt eine neue Zeitrechnung begonnen“ (Tagesspiegel 16.3.16); „Das neue deutsche Lyrikwunder“ (Zeit 16.3.). (Text und Datierung jeweils nach den Webseiten).

Da ist es gut, neben der Lyrik und dem Wagner auch mal Einzellob zu verteilen. Voilà:

Max Czollek ist Lyriker und hat einige der schönsten Gedichte geschrieben, die es in deutscher Sprache zu lesen gibt

Ich habe nichts gegen Wagner und nichts gegen Czollek, ich zitiere nur mal. Letzteres brühwarm. Das stand so gestern in der Welt und steht so auch heute und sicher morgen noch. Ich habe auch nichts gegen Günter Herburger und Tom Schulz. Letzterer schreibt über den vorletzten bei Signaturen:

Die etwa achtzig Gedichte dieser Sammlung, die mit einem feinsinnigen Nachwort von Mirko Bonné versehen wurden, stehen wie ein Fels in einem seichten Meer der Gegenwartslyrik, wie sie uns zuhauf präsentiert wird.

Schöne neue Lyrikwelt.

 

5 Comments on “Großes Lob

  1. die frage hatte ich mir vor paar tagen auch erlaubt ihm auf FB direkt zu stellen – bislang bleibe ich unaufgeklärt:

    >Lieber Tom Schulz – was ich mich jetzt (nachdem ich früher am abend den anfang der debatte gelesen) und deinen einwurf sah, ganz spontan fragte -: dat seichte Meer der Gegenwartslyrik, wer zählt denn dazu bzw. wen zählst du dazu bzw. wo siehst du dich da? nur so, z.B. … also, wenn du mich fragst, aufgrund von titeln, preisen und reisen und beiträgen und auftritten, so grosso modo, ich würde dich da schon zu den leuchttürmen zählen.<

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  2. Man könnte es ja fast rührend finden, wie diese Leute sich am selbstinszenierten Hype freuen. Allerdings weisen andere Stimmen (z.B. Michael Braun) schon seit Jahren, mindestens seit der Bella Debatte (Ich kann mich kaum erinnern, ist es 10 Jahre her?), darauf hin, dass es besser geworden ist. Wenns um Lyrik geht: Nichts ist so alt, wie die Zeitung von heute.
    Ist ja auch praktisch: Aus Sicht eines Journalisten ist ein Hype der Lyrik nichts anderes als ein neuer Fußballtrainer oder ein US Präsident Obama: Erst hochschreiben (Lichtgestalt), dann runterschreiben (doch kein Heilsbringer). So gewinnt man gleich doppelt Nachrichtenwert. (Zu viel Recherche kann man beim Spardruck gerade in Bezug auf lyrik nicht erwarten, ufert ja auch so schnell aus.)
    Tom Schulz führt gewissermaßen als Vergil in der Hölle der Gedichte schon mal vor, wie die nächste Runde geht. Diese Pose sieht für mich aber bei niemandem sehr gut aus. Sieht aus nach: Ich will mir nicht die Hände schmutzig machen. Sieht aus nach: Wenn ich sensibel genug bin, den Klassenunterschied zu sehen, sieht es mit meinen Texten wohl auch nicht ganz übel aus …

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  3. Ach je, es wäre gut, von pauschalen Behauptungen und superlativischem Lob wegzukommen. Bitte mehr Halbdunkel. Zeigen, nicht (so viel) werten. Dennoch, die Konzentration auf bestimmte Namen (es sollten natürlich immer verschiedene bestimmte Namen sein) halte ich für richtig, sonst wird mir auch schwindlig. Nach diesem kleinen Binnenreim möchte ich noch erwähnen, dass es mich freut, das Wort Gazzette zu lesen, das, wie ich dem klugen Internet entnehme (aber ich meinte auch, mich zu erinnern = ich bin auch nicht doof), nicht nur von einer venezianischen Kupfermünze herrührt, sondern den (falschen?) Ruf der Elster mitmeint. Mit herzlichem Gruß aus Klein Machnow http://www.etymonline.com/index.php?term=gazette

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