Der Betrieb debattiert sich

Das Raffinierte an Winkels’ Performance: Er formulierte, was er beschrieb, nicht als Kritik, sondern skizzierte als teilnehmender Beobachter ein sich wandelndes Feld. Die stetig wachsende Marktförmigkeit, Publikumszugewandtheit und Beschleunigung des Betriebs, die Konzentration auf wenige von Buchpreislisten bestimmte Titel, die Fokussierung auf Event, Auftritt, Gespräch und Debatte, die Fixierung auf Autorenpersönlichkeiten nicht zuletzt in den viel häufiger gewordenen Medienformaten Interview und Porträt, die Prämierung der Auftrittsgewandtheit von Kritikern und Autoren und auch die nochmalige Verdichtung und Beschleunigung des Ganzen durch eine Metabeobachtungsplattform wie den Perlentaucher: All dies sind nicht von der Hand zu weisende Tendenzen des aktuellen Betriebs. Am Umgang mit den sundermeierschen Thesen kann man gut sehen, wie sich der Betrieb gegen solche Kritik immunisiert. Die plumpe Abweisung à la Sandra Kegel ist als durchsichtiger Selbstbetrug sicher nicht state of the art. Wer schlau ist, affirmiert vielmehr wie Hubert Winkels den Betrieb wie die Kritik.

Kaum verzichtbar ist dabei – als freilich konsequenzlose Mentalreservation –Winkels’ Eingedenken an die noble Vergangenheit der Kritik. Virtuoser als Winkels kann man das Nebeneinander von Beobachtung / Mittun / Kritik jedoch nicht inszenieren. Der Kaiser ist nackt, spricht es aus und liefert eine Theorie der Notwendigkeit seiner Nacktheit gleich mit.

© Klett-Cotta Verlag, J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, Rotebühlstr. 77, 70178 Stuttgart

Aus: Ekkehard Knörer: Neuigkeiten aus dem Betrieb. Die Sundermeierdebatte, Merkur 793

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..